Der Mississauga-Blob (1979): Fall abgeschlossen – oder nicht?

So ganz genau scheint ja noch immer nicht geklärt, was da wirklich am 17. Juni 1979 in Mississauga, Ontario, vom Himmel gefallen und auf dem Gartentisch des Maklers Traven Matchett eingeschlagen sein könnte. Bei dem grünlichen Klumpen aus Styropor und Polypropylen, der sich an diesem Samstagnachmittag mitten auf dem Gartentisch der Matchetts eingebrannt hatte, soll es sich ja angeblich nur um die Überreste einer verbrannten Frisbee-Scheibe gehandelt haben; diese Theorie, die ja bereits wenige Tage nach dem mysteriösen Vorfall praktisch „offiziell“ wurde, gilt auch laut Wikipedia als bisher einzige, bewiesene Erklärung.

Mississauga-Blob (1979)
Quelle: Fortean Times, issue #32, summer 1980

Doch wie ein alter Artikel aus dem britischen Magazin Fortean Times (Ausgabe 32, Sommer 1980; Link) zeigt, bestanden schon damals begründete Zweifel an dieser Theorie. Vor allem Matchett wollte sich von Anfang an mit dem Befund des Ontario Ministry of the Environment nicht abfinden, das ja bereits am Montag nach dem Vorfall einen Inspektor am Melton Drive vorbeischickte, um die geheimnisvollen Brandreste zu untersuchen.

Doch sortieren wir mal die wenigen Fakten, die es zu diesem Fall gibt.

Was spricht für die Frisbee-Theorie?

Bei den Materialien, aus denen der vermeintliche Mississauga-Blob besteht, handelt es sich wie oben beschrieben um extrem weit verbreitete Kunststoffe, die für Wegwerfgeschirr, Plastikspielzeug, Untertöpfe für Zimmerpflanzen, und sicherlich eben auch für Frisbee-Scheiben verwendet werden – jedenfalls laut Untersuchung der kanadischen Behörden. Deren Fazit, ebenfalls nachzulesen in Fortean Times, lautete in etwa so: 

The analysis shows the presence of two different kinds of of plastic-polypropylene and polystyrene. The melted masses have no distinctive or identifying features. A microscopic analysis shows the presence of no other unusual materials. No reading above the normal background reading of radioactivity was encountered.

Was zunächst gegen eine Herkunft aus dem Weltall spricht – Weltraumschrott inklusive -, denn derart kleine Teile aus Kunststoff dürften beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre sicherlich spurenlos verglühen.

Zweitens: Die Idee, Frisbee-Scheiben in Brand zu setzen und in der Gegend herumzuwerfen, scheint nur auf den ersten Blick absurd. Das Video unten zeigt, wie auf der Oberfläche einer solchen Scheibe erst Klebeband (vermutlich saugfähiges Textilklebeband, außerdem Watte oder ähnliches) angebracht wird, auf das danach eine brennbare Flüssigkeit gegossen wird. Welche Substanz genau, wissen wird nicht, aber ggf. wohl Benzin, Lösungsmittel, Lack oder was auch immer (auf der Dose steht wie man sieht „mineralölhaltiges Erzeugnis“). Jedenfalls etwas leicht entzündliches. Um Verbrennungen zu verhindern, tragen die beiden Männer, die in dem Video auftauchen und sich das brennende Fluggerät anscheinend in einem öffentlichen Park (!) zuwerfen, entsprechende in Wasser getränkte Sicherheitshandschuhe.

Das Video ist auch interessant, weil es – jedenfalls nach Bekleidung, Bildqualität usw. zu urteilen -, aus den Neunzigern, vielleicht sogar aus den Achtzigern stammen könnte. Wenn wohl sicherlich auch aus Deutschland statt aus Kanada. Möglicherweise aber ungefähr aus der Zeit, in der sich der Vorfall in Mississauga zugetragen haben soll. Vielleicht gab es ja damals eine jugendliche „Burning Frisbee“-Manie, ähnlich wie das Diet-Coke-plus-Mentos-Phänomen vor rund zehn Jahren. Und ab und zu landete eine brennende Frisbee dann vielleicht in Nachbars Garten?

 

Das wäre auch eine Erklärung dafür, warum eine andere Bewohnerin von Mississauga, Dorothy Smith, bereits einen Monat vor dem Einschlag am Melton Drive, ebenfalls einen solchen „circular blob“ in ihrem Garten entdeckt hatte, der allerdings schwarz gewesen sei. Ihre Residenz soll sich etwa eine Meile nördlich des Heims der Familie Matchett befunden haben, meldet FT. In der Stadt in Ontario könnte also eventuell auch ein Serien-Pyromane unterwegs gewesen sein.

Und was spricht gegen die Frisbee-Theorie?

In der Tat merkwürdig ist der Umstand, dass der Garten der Matchetts damals umgrenzt war von rund vier Meter hohen Hecken, Bäumen sowie einer Garage. Kaum vorstellbar, dass eine Frisbee mit ihrer doch recht flachen Flugbahn (siehe Video) den Gartentisch überhaupt hätte erreichen können. Hierzu Traven Matchett gegenüber Fortean Times:

The trees at the back are about seventy feet tall (…) Our hedges are about twelve feet tall (…) In order to get it on the backyard table they’d have to stand in front of the garage, throw it over the garage and around the corner of the house to land on the table like the blob did, which is impossible.

Zweitens soll der brennende Plastik-Klumpen auf dem Tisch laut der beiden Zeugen keine sichtbare Rauchentwicklung erzeugt haben, obwohl die Flammen das Material bis zum Löschen des Feuers mit dem Gartenschlauch fast vollständig verzehrt und deformiert hatten, wie man im Foto oben erkennen kann. Der misstrauische Matchett hatte ja seinerzeit eigene Tests durchgeführt und zwei Billig-Frisbees für jeweils 5 Dollar in Brand gesetzt. Zumindest beim zweiten Test, für den Brandbeschleuniger verwendet worden war, sollen die Rauchemissionen erheblich gewesen sein. Im Video oben ist ebenfalls kein Rauch zu sehen, allerdings scheinen die Männer eine Frisbee aus Metall zu verwenden, die also nicht selbst in Brand geraten kann. Dass es sich um Metall oder jedenfalls um ein schwer brennbares Material handelt, lässt bereits die erste Minute vermuten: Hier wird das verbrannte Material, Klebeband usw. von der Frisbee gekratzt, die ihre Form wie man sieht nicht durch den Brand verändert hat. 

So sieht das aus, wenn Polypropylen brennt – nämlich mit Rauchentwicklung:

Irgendwie verdächtig ist in diesem Fall auch das Verhalten der kanadischen Behören, denn zunächst hatten die Inspektoren vor Ort ja praktisch kein ernstes wissenschaftliches Interesse an den Brandresten zeigen wollen. Der bis heute geltende Blitzbefund „It looks like a frisbee …“ wurde ja bereits zwei Tage nach dem Einschlag unmittelbar vor Ort (und vor der Laboranalyse) geäußert, soweit rekonstruierbar durch einen Mitarbeiter des Umweltministeriums. Später heißt es im FT-Artikel dann, die Labormitarbeiter hätten alles mitnehmen wollen, das heißt: den kompletten Gartentisch. Dass Matchett den späteren schriftlichen Laborbefund (aus dem oben zitiert wird) zwar durchlesen, aber keine Kopie behalten durfte, machte die Sache für die Beteiligten wohl auch nicht gerade vertrauenserweckender. Ebenso wenig wie der Umstand, dass im September 1979 jemand ins Büro des Immobilienmaklers eingebrochen war und die Aktenschränke durchwühlt hatte – auch wenn dort zum Thema Blob wohl nichts zu finden gewesen wäre.

Und was hat es nun auf sich mit dem Mississauga-Blob? Woher der amorphe, vier Unzen schwere Kunststoff-Brocken tatsächlich kam, bleibt mangels plausibler Hypothesen leider weiterhin ein Rätsel. Nur wenige Wochen später, am 11. Juli 1979 hätte es witzigerweise eine überzeugende Erklärung geben können, denn an diesem Tag begann der kontrollierte Absturz der US-Raumstation Skylab. Deren 69 Tonnen Metall- und Kunststoffschrott sollten sich allerdings über die Wüsten Australiens verteilen.

-MR

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