Neues zum Fall YOGTZE (?)

Zum Fall YOGTZE fällt einem immer wieder etwas Neues ein. Wie wäre es hiermit: Ein alter Schimanski-Tatort aus dem Jahr 1982 liefert möglicherweise entscheidende Hinweise für die Aufklärung der merkwürdigen und letztlich tödlichen Irrfahrt von Günter Stoll in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 1984.

Zunächst zum Hintergrund: In der zuerst am 12. Dezember 1982 ausgestrahlten Produktion des WDR (Tatort-Folge 143) ermitteln „Schimmi“ und Thanner im Umfeld einer Agentur aus Amsterdam, die Kinder aus Ostasien (mehr oder weniger unbürokratisch) an Adoptiveltern vermittelt – auch nach Deutschland, und dies gegen hierzulande geltendes Gesetz. Zuvor war eines der Kinder, bei dem Typhus als Todesursache diagnostiziert wird, nach improvisierter Bestattung in einem Korb treibend im Rhein bei Duisburg aufgefunden worden. Als Folge der Ermittlungen in den Niederlanden stellt sich schließlich heraus, dass das Adoptionsgeschäft bloß als Deckmantel für Drogenschmuggel über die Zwischenstation Niederlande dient: Den Kindern werden in der Heimat Stoffaffen (daher der Tatort-Titel „Kuscheltiere“) mitgegeben, die als Träger des Schmuggelguts bis zur Ankunft in den Niederlanden mit Herointütchen gefüllt sind. Eine Razzia in der Agentur beendet das kriminelle Treiben; die Identität des verstorbenen Kindes wird geklärt, es handelt sich um einen Zwilling, dessen Schwester (beides Mädchen) wohlbehalten bei einer Familie in Duisburg angetroffen wird. Mehr Infos zum Tatort-Fall hier.

Gehen wir die Auffälligkeiten mal Schritt für Schritt durch:

1. Asiatische Vornamen. Kommissar Schimanski lässt aus einem Stahlschrank in den Räumlichkeiten der Agentur während eines nächtlichen Eindringens eine Dateikarte mitgehen, von der er vermutet, dass sie vielleicht zur Aufklärung des Falls beitragen könnte (Ankunftszeit etc., die zur Inkubationszeit bei Typhus passt; auf der Karte ist auch der neue Wohnort des Kindes, Duisburg, eingetragen – außerdem der Familienname „Busch“).

Besonders interessant ist hierbei der auf der Karte eingetragene Name:

Yong-Lan-TSAI

Hier ein Bildausschnitt aus „Kuscheltiere“, Minute 01:25:55 …

Quelle: youtube.com / http://www.youtube.com/watch?v=Fm6lmgKOUyc (Bildausschnitt)

 

 

 

 

 

 

 

(Zum Vergleich: Der in XY gezeigte Zettel – wenn auch wohl nicht das Original:)

yogtze-zettel
Quelle: youtube.com / https://www.youtube.com/watch?v=Fk2QJk4zmGc

 

 

 

 

 

 

Wie sich allerdings gegen Ende der Tatort-Folge herausstellt, ist Yong-Lan Tsai nicht der Name einer einzelnen Person, sondern der kombinierte Name von Zwillingen, demnach also: YONG TSAI und LAN TSAI.

Zur Verdeutlichung mal die beiden relevanten Buchstabenfolgen übereinander:

YONG TSAI (der Name des im Rhein aufgefundenen Kindes)

YOG’TZE (die von Günter Stoll aufgeschriebene Buchstabenfolge)

Interessant und wichtig ist an dieser Karteikarte aber noch etwas: Nachdem Schimanski auf die Idee kommt, dass es sich um Zwillinge handeln könnte, zieht er einen vertikalen Strich durch den Bindestrich, verwandelt diesen also in ein Plus (siehe Bildausschnitt oben: Hier steht bereits YONG+LAN statt wie vorher YONG-LAN, Schimmi hat den Edding noch in der Hand) – so ähnlich wie Günter Stoll einen vertikalen Strich in seine Buchstabenkombination einfügt – das Apostroph zwischen YOG und TZE setzt – und so daraus YOG’TZE macht.

Es wäre spannend, die bisher leider wohl nicht veröffentlichte Originalnotiz Stolls zu sehen. Hat Stoll das Apostroph nachträglich in YOGTZE eingefügt (ein auffallender Abstand zwischen G und T wäre ein Indiz für das Gegenteil, eine solche Lücke lässt sich in der nachgeahmten XY-Version allerdings nicht erkennen)? Dann hätte er Vor- und Nachname getrennt, falls er eine Zwei-Wort-Kombination (wie zum Beispiel YONG TSAI etc.) gemeint hat. Und das Apostroph wäre in diesem Fall kein solches, sondern einfach ein willkürlich gewähltes Trennelement zwischen Vor- und Nachname bzw. Wort 1 und Wort 2.

Völlig dunkel bleibt allerdings welche Bedeutung irgendeine ungewöhnliche Wort- oder Buchstabenkombination mit YOG oder YONG für den Siegerländer überhaupt gehabt haben könnte. Hat Stoll fiktive Namen oder Handlungselemente des TV-Films als Folge möglicher paranoider Zustände auf seine Person bezogen und darauf reagiert? Immerhin saß der „Mann mit den Vorahnungen“ vor dem Fernseher als ihm ein „Licht aufging“ und er sich offenbar an etwas erinnerte (und niederschrieb). Allerdings liegen zwischen Tatort-Erstausstrahlung und Stolls Ableben fast zwei Jahre. Was hat Stoll an diesem Donnerstagabend des Jahres 1984 eigentlich im TV geschaut?

Zum Glück liefern die „Kuscheltiere“ noch ein paar weitere Anhaltspunkte.

2. Drogenumschlagplatz Holland. Der WDR-Tatort inklusive Drogenstory spielt teilweise in Amsterdam. Laut Oberkommissar Leppler, Kripo Hagen, soll sich Stoll urlaubsbedingt (der arbeitslose Stoll?) 1984 mehrfach in den Niederlanden aufgehalten und eventuell Kontakt zu Personen mit Drogenhintergrund gehabt haben. Konkreteres erfahren wir von XY allerdings nicht (und wollen auch nichts unterstellen). Immerhin aber gibt es hier zwischen Fiktion und Realität zwei Übereinstimmungen: (1.) Drogen bzw. Drogenverdacht und (2.) Holland als Schauplatz entsprechender bzw. möglicher Aktivitäten.

3. Der Lebensmitteltechniker. Vom XY-Sprecher erfahren wir Stoll sei „von Beruf Lebensmitteltechniker, aber ohne Stellung“. Im Schimanski-Tatort munkelt ein Forensiker nach der Obduktion von YONG TSAI: „… wenn ein Typhusträger in der Lebensmittelbranche arbeitet …“. Allerdings waren Typhusfälle oder gar -epidemien wohl bereits lange vor den 80ern hierzulande so gut wie unbekannt. Immerhin aber provoziert das Lebensmittel-Thema eine neue Frage, deren Beantwortung für den Fall vielleicht aufschlussreich sein könnte: Warum war Günter Stoll eigentlich arbeitslos – und seit wann?

Zugegeben: Mehr Fragen als Antworten! Eine Lösung des Rätsels YOGTZE lässt auf sich warten. Fortsetzung folgt.

Hier übrigens unser erstes Posting zum Thema YOGTZE.

-MR

5 Kommentare

  1. Typhusfälle waren leider nicht „bereits lange vor den 80ern hierzulande so gut wie unbekannt“: Zum Beispiel gab es 1974 eine spektakuläre Häufung von Typhustoten, wohl vor allem in Süddeutschland. Als Ursache stellte sich nach nicht allzu langer Zeit abgepackter Kartoffelsalat heraus.

  2. Am besten gefällt mir folgende These:
    Es gibt einen Wirtschaftskrimi Schwarz Rot Gold (Erstausstrahlung 1982) und zwar die Folge ALLES IN BUTTER.
    Alle Folgen basieren auf authentischen Fällen und sorgten schon bei ihrer Erstausstrahlung in den 80ern(1982!!!) und 90ern für Unterlassungsklagen und Skandale. Die Filme gibt es bei Amazon als DVD.
    Inhalt ALLES IN BUTTER: Die Butterschmelze von Lohse Sen. steht vor der Pleite. Arbeitsplätze und auch der gute Name des Unternehmens sind gefährdet. Lohse Jun. hat den rettenden Einfall: Die Butterschmelze verschmilzt Butter, die im Rahmen der Entwicklungshilfe an die Dritte Welt verschenkt wird, zu reinem Butteröl. Lohse Jun. entwickelt nun mit zwei Mitarbeitern ein Verfahren, der Butter Palmfett beizumischen, ohne dass dieser Betrug bei Kontrollproben festgestellt werden kann. Die so eingesparte Butter wird in der Ladenkette von Lohse Sen. gewinnbringend verkauft. Innerhalb von drei Jahren floriert die Firma wieder. Allerdings bekommt die Zollfahndung einen Tipp von der Konkurrenz – die Lohses unterbieten jeden vernünftigen Preis. Die Zollfahnder Zaluskowski und Hobel stehen vor einem Fall, der nicht nur herkömmlichen kriminalistischen Spürsinn erfordert, sondern auch die Kenntnis der EG-Wirtschaftsgesetzgebung…

    Verbindungen zum YOG´TZE-Fall: Lebensmitteltechniker, Butterskandal (vor 1982), TZE, einige Beteiligte waren wohl schon seit der Erstausstrahlung 1982 nervös.

    TZE = (2-(4-METHYL-THIAZOL-5-YL)-ETHANOL) oder auch Sulfurol ist ein naturid. Aromastoff

    TZE kann und wird sicher auch Yoghurt ,Butter oder Speisefetten zugesetzt werden (als Aroma oder Verdickungsmittel?)
    Ergebnis: YOG-TZE

    Zum Schluss Gedanken, Anregungen aus einem neueren Butter-Skandal mit Mafia-Verbindung:
    Anfang des Jahrtausends wurde ein Butterskandal aufgedeckt, dessen Profiteur letztendlich auch wieder der „Clan der Casalesi“ gewesen sein dürfte. Es wurde minderwertige „Butter“, die zu über 30% aus Abfallprodukten der Petrochemie, Kosmetikzusätzen und Rindertalg bestand, erzeugt und zum einen als Industriebutter weiterverkauft bzw. in das östliche Europa exportiert. In beiden Fällen wurden, da das Erzeugnis als reines Kuhderivat ausgegeben wurde, seitens der EU Subventionen gezahlt, die in vorliegenden Fall geschätzte 239 Millionen Euro betrugen. Und diese „Butter“ wurde auch bei einigen Großbäckereien und Eisherstellern in Deutschland verarbeitet.

  3. Mal ehrlich, ich würde mir die Alte des Mordopfers vorknöpfen. Den Zettel mit der Buchstabenfolge ‚YOG’TZE‘ hat die treue Ehegattin des Verblichenen ja angeblich in der Tatnacht nichtsahnend verschwinden lassen. Gemäß Ermittlungsakten zumindest hat die Notiz kein Fahnder je zu Gesicht bekommen. Ein halbes Jahr später (!) erinnert sich die Dame dann plötzlich an diesen angeblichen Zettel mit der reichlich verschwurbelten Buchstabenkombination… Sowas auch!

  4. zwei Hinweise die zu Recherche einladen:
    1. Tatort wurde mindestens einmal benutzt um Geheimdiensten einen Wink zu geben. Der Cameo auftritt von Uwe Mundlos und UweBöhnhardt in Form von Fahndungsfotos, der in einer „Alarm Küstenwache“ Folge wiederholt wurde. Ist jene yogze Folge vieleicht ähnlich gelagert?

    2. Das Buch von H.U.Gresch Sklaven ohne Ketten bzw. dessen anderes Buch über Hypnose beschreibt die Aufzucht von ahnungslosen manschurischen Kandidaten im kalten Krieg, deren Aufgabe es war, unter einer Hypnose, ausgelöst von einem Codewort, sogenannte Rucksacknukes im Fulda Gap in Stellung zu bringen. Hier ist mindestens die räumliche Nähe und die Lebenszeit des Betroffenen schon ein Indiz.

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